Im Westen nichts Neues 4K 2022

Ich bin ziemlich lauwarm, was deutsches Kino angeht, vor allem bei Netflix. Aber der Film entpuppte sich als ein echtes, seltenes Juwel in unseren unruhigen Zeiten. Die Kameraführung ist erstklassig, der Soundtrack ist düster und einprägsam und die Inszenierung ist gut gemacht: Das Tempo ist straff, die alltäglichen Momente wechseln sich zeitlich mit der Handlung ab - und das geschieht ganz unerwartet, was die Wirkung verstärkt. Man erwartet immer, dass Netflix in jedem Film schwarze und asiatische Schauspieler auf die Leinwand bringt, aber, oh Wunder, kein Internationalismus hier. Die historische Authentizität bleibt vollständig erhalten: Im Fleischwolf des Ersten Weltkriegs (wie auch im Zweiten Weltkrieg) töteten weiße Kulturdeutsche gleichgesinnte europäische Bürger, die nur eine andere Sprache sprachen. An der Besetzung gibt es nichts auszusetzen - die jungen Leute sind gut ausgewählt. Im Allgemeinen ist die historische Relevanz des Films - die Liebe zum Detail - top: Waffen, Munition, Kleidung, Frisuren, Leben.

Das Drehbuch hält einen in Atem: keine Klischees und Stereotypen aus 'Kriegsfilmen'. Die Autoren des Films wollten die Absurdität des Krieges und den Zynismus der Generäle vermitteln - das ist ihnen perfekt gelungen. Siebzehn Millionen Jungen starben unter Maschinengewehren, Granaten und giftigen Gasen innerhalb weniger hundert Meter - dieses Band des Todes wird durch die Augen eines kleinen Jungen gezeigt, der als Freiwilliger an die Front ging. Die alltägliche, berechnende Art der Deutschen - wenn die Uniformen der Toten gewaschen, gestopft und an die neuen Rekruten verteilt werden - solche Szenen sind erschreckender als die Kampfszenen.

Der Film ist stark, man kann ihn getrost auf eine Stufe mit den besten Antikriegsfilmen stellen - mit "Go and See" und "The Thin Red Line". Edward Berger wird nach diesem Film zu einem der besten Regisseure der alten Welt. Die unglaubliche Kritikerbewertung von über 90% ist völlig gerechtfertigt.